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Wasseramsel-Monitoring im Main-Kinzig-Kreis

Die Wasseramsel ist der Charaktervogel der Bäche und Flüsse unserer Mittelgebirge (Foto: NABU Archiv/Rolf Jürgens)

Die Wasseramsel ist der Charaktervogel der Bäche und Flüsse unserer Mittelgebirge (Foto: NABU Archiv/Rolf Jürgens)

Seit einem halben Jahrhundert bemüht sich der Naturschutzbund (NABU) im Main-Kinzig-Kreis um den Erhalt einer ganz besonderen Vogelart – der Wasseramsel. Bereits seit 1958 beobachtet der von Raimer Thienhaus gegründete Arbeitskreis Wasseramsel des NABU die Bestandssituation des scheuen Unterwasserjägers. Dem Arbeitskreis mit seinen zahlreichen ehrenamtlichen Mitstreiterinnen und Mitstreitern gelang es in den 1960er und 1970er Jahren auch, den stark dezimierten Bestand der Tiere wieder aufzubauen.

Spätestens seit Mitte der 1980er Jahre ist der Wasseramselbestand im Main-Kinzig-Kreis wieder stabil und bewegt sich im Rahmen normaler Bestandsschwankungen jährlich zwischen etwa 120 und 150 Brutpaaren. Die Stabilisierung dieser Zeigerart für intakte Mittelgebirgsbäche und -flüsse ist eine Erfolgsgeschichte des hessischen Naturschutzes. Im Jahr 2001 übernahm Horst Basermann die Leitung des Arbeitskreises Wasseramsel und garantiert die Kontinuität der Datenermittlung.

Den Tiefpunkt erreichte der Wasseramselbestand bereits zur Mitte des letzten Jahrhunderts. Die allgegenwärtige Wasserverschmutzung, der Verlust an Brutplätzen aber auch die Nachwirkungen direkter Verfolgung hatten der Vogelart schwer zugesetzt. Noch bis in die 1950er Jahre wurde die Wasseramsel als vermeintlicher Fischräuber verfolgt und geschossen. Erst jahrelange Überzeugungsarbeit konnte manchen Angler und Fischer davon überzeugen, dass sich Cinclus cinclus vorwiegend von Wasserinsekten ernährt und kleine Fische nur ausnahmsweise auf dem Speiseplan der Tiere stehen.

Wasseramsel-Bruten im Main-Kinzig-Kreis

Ein anderer Grund des Bestandsrückgangs war der Verlust an Brutmöglichkeiten. Alte Steinbrücken, Wehre und Mühlen, die mit ihren Mauernischen Jahrhunderte lang ideale Nistmöglichkeiten boten, wurden in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr beseitigt oder durch nischenfreie Betonkonstruktionen ersetzt.

Künstliche Nisthilfen werden von Wasseramseln gerne angenommen (Foto: Horst Basermann)

Künstliche Nisthilfen werden von Wasseramseln gerne angenommen (Foto: Horst Basermann)

Hier konnten die ehrenamtlichen Naturschützer ansetzen. Mit speziell angefertigten Nistkästen, die vor allem unter Brücken, aber auch an Bäumen im ganzen Main-Kinzig-Kreis angebracht wurden, fanden die Tiere eine neue Heimat. Der soziale Wohnungsbau für Wasseramseln sprach sich wohl unter den Tieren schnell herum. Heute brüten weit über 90 % der Tiere in den Nistkästen des NABU.

Rund 320 Spezial-Nistkästen stehen aktuell den Tieren im MKK an 47 Fließgewässern mit einer Länge von rund 330 Kilometern zur Verfügung. Durchschnittlich 37% der Kästen sind von Wasseramseln bewohnt (Tab 1). Regelmäßig nutzen auch andere Vogelarten wie Zaunkönig und Gebirgsstelze die Luxusbehausungen.

Die meisten Wasseramseln brüten entlang der Bäche und Flüsse, die von Spessart, Rhön und Vogelsberg der Kinzig zufließen. Hier finden die Tauchvögel klares Wasser mit einer optimalen Sichttiefe. Auch die Kinzig selbst bietet in ihrem Ober- und Mittellauf zahlreichen Brutpaaren genug Nahrung.

Nistkästen unter einer Brücke bieten Brutplätze, die vor Prädatoren weitgehend sicher sind (Foto: Horst Basermann)

Nistkästen unter einer Brücke bieten Brutplätze, die vor Prädatoren weitgehend sicher sind (Foto: Horst Basermann)

Hier findet die Wasseramsel eine mittlere bis reißende Strömung (Strömungsgeschwindigkeit von 0,3 bis über 1 m/s) und mit Geröllsteinen verschiedener Größen besetzte Bachbetten und Ufer. Aus dem Wasser herausragende Steinblöcke werden als Ansitzwarten genutzt. Ufersäume überwiegend aus Erlen bieten Deckung und in den unterspülten Wurzeln können dort, wo künstliche Brutmöglichkeiten fehlen, die kugelförmigen Nester angelegt werden. Auch Nischen in Brücken, Ufermauern, Wassermühlen und ähnliche Örtlichkeiten in Wassernähe bzw. unmittelbar am Wasser, bieten gelegentlich Möglichkeiten für die Nestanlage.

Im flachen Westkreis dagegen dünnen die Bestände aus. In den Sandbächen der Niederung kann sich der Vogel beim Tauchen nicht im Substrat festkrallen; zudem ist das Nahrungsangebot in diesen Gewässern nicht ausreichend. Die Kinzig selbst ist in ihrem Unterlauf zu tief und zu trüb für die nach Wasserinsekten tauchenden Tiere.

Weit über 20 Aktive tragen jährlich für das NABU-Langzeitprojekt Daten aus allen Teilen des Kreises zusammen, um die Entwicklung der Population zu dokumentieren. Neben dem konkreten Artenschutz steht für die ehrenamtlichen Naturschützer das Monitoring der Fließgewässer im Vordergrund.

Die Bestandsentwicklung der Population im Main-Kinzig-Kreis seit 1985 ist in Abbildung 1 (vgl. auch Tab. 1) dargestellt. Verglichen mit anderen Vogelarten ist die Schwankungsbreite des Bestandes gering. Lässt man den höchsten und niedrigsten Wert außer acht, so schwankt der Bestand im Main-Kinzig-Kreis regelmäßig zwischen 147 und 121 Brutpaaren. Im Mittel wurden seit 1987 im Kreisgebiet 134 Brutpaare gezählt (Median 133 BP). Eine Ausnahme bildete 2009. Mit nur 106 Bruten wurde ein Negativrekord verzeichnet.

Die Experten des Arbeitskreises Wasseramsel halten den strengen Winter 2008/09 für die wahrscheinlichste Ursache des Bestandsrückgangs. Anzeichen für andere Ursachen wie etwa eine erhöhte Prädation oder eine Krankheit konnten nicht beobachtet werden. Totfunde waren nicht zu verzeichnen. Da die Bestandsrückgänge - wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung - in allen Gewässersystemen stattfanden, können auch Gewässerverunreinigungen als Ursache ausgeschlossen werden. Da auch der Winter 2009/10 wieder zu den strengeren gehörte, bleibt abzuwarten, ob sich der Bestand schnell wieder erholt oder auf niedrigem Niveau stagniert.

Der Wasseramselbestand ist ein recht gutes Frühwarnsystem für den Zustand der Fließgewässer in den Mittelgebirgslagen. Geht es dem Wasseramselbestand gut, ist auch das Ökosystem in einem guten Erhaltungszustand. Die Langzeitbeobachtungen des NABU liefern deshalb sehr wichtige Datenreihen und wissenschaftliche Erkenntnisse, die auch für die Umsetzung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie und der FFH-Richtlinie von Bedeutung sind. Sollte der Bestand im Main-Kinzig-Kreis über mehrere Jahre unter 120 Brutpaare sinken, wäre das ein deutliches Alarmsignal.

Bruthilfen werden bevorzugt

Fast alle Brutpaare nisten in den vom NABU angebotenen künstlichen Bruthilfen (Foto 2). Naturbruten kommen im Main-Kinzig-Kreis regelmäßig vor, machen aber deutlich weniger als 10 % aus (Tab. 1). Auch wenn von einer gewissen Dunkelziffer und einigen nicht entdeckten „Naturnestern“ ausgegangen werden muss, liegt die Schwankungsbreite der erfassten Naturbruten im Beobachtungsgebiet zwischen 2 und 14 (Mittelwert: 7). Damit ist die Schwankungsbreite der Naturbruten deutlich höher als die in den künstlichen Bruthilfen.

Darstellung der Bestandsentwicklung von Cinclus cinclus im Main-Kinzig-Kreis seit 1987

Diese starke Ausrichtung auf künstliche, weitgehend prädatorensichere Bruthilfen in einem gut geeigneten Lebensraum garantiert gute Bruterfolge und gleichzeitig verlässliche Monitoring-Ergebnisse, die bei anderen Arten in dieser Zuverlässigkeit über Jahre hin kaum zu erreichen sind. Die Ausrichtung des Bestandes auf künstliche Nisthilfen bedeutet aber auch eine Abhängigkeit von Naturschutzmaßnahmen. Die Art oder besser der etwa gleichbleibend hohe Bestand hängt „am Tropf des Naturschutzes“. Entsprechend gehört die Wasseramsel nach dem BNatSchG zu den besonders geschützten Arten. In Hessen wird die Wasseramsel auf der Vorwarnliste (Kategorie V) der Roten Liste der Brutvögel geführt.

Wasseramsel-Porträt

Junge Wasseramseln können bereits schwimmen und tauchen, bevor sie fliegen können. Eine Tauchzeit von 5-10 Sekunden ist bei Altvögeln nichts Seltenes. Eine Tauchtiefe von 1,5 Metern und eine Tauchstrecke von 20 Metern wurden schon gemessen. Die Nestlinge lassen sich bei Störungen ins Wasser fallen und untergetaucht eine Strecke treiben, bis sie dann das deckungsreiche Ufer aufsuchen. Als besondere Anpassung an das Wasserleben haben Wasseramseln ein dichtes Gefieder, eine große Bürzeldrüse und Häute mit denen die Nasenöffnungen am Schnabel verschlossen werden können. Die Flügel dienen als Ruder unter Wasser. Die Knochen der Tiere sind bis auf den Schädelknochen mit Mark gefüllt, um das Gewicht zu erhöhen. Durch die Strömung und eine gekonnte Körperhaltung lassen sich die Tiere auf den Boden drücken. Wollen sie wieder an die Wasseroberfläche, verändern sie ihre Körperhaltung und schießen wie ein Korken nach oben. Am Gewässerufer oder auf Felsblöcken im fließenden Wasser sind die Tiere oft bereits von Weitem am arttypischen „Knicksen“ zu erkennen. Die Nahrung besteht meist aus Wasserinsekten und deren Larven, ebenso aus kleinen Krebstieren und Wasserschnecken. Selten bereichern auch kleine Fische den Speiseplan. Die erste von oft zwei Jahresbruten beginnt nicht selten schon im Februar.


Begleitarten der Wasseramsel

Die regelmäßigen Kontrollen des NABU-Arbeitskreises bieten noch eine Reihe wichtiger Nebenergebnisse. Beispielsweise können so auch Zaunkönignester auf einer konstanten Zählstrecke erfasst werden. Auch für diese Art ist es daher mit gewissen Einschränkungen möglich, Aussagen über die regionale Bestandsentwicklung zu treffen. Noch besser gelingt dies für die Gebirgsstelze, die ebenfalls Wasseramselkästen als Brutplatz nutzt und im Gegensatz zum Zaunkönig stark an den Lebensraum Fließgewässer angepasst ist.

Der Zaunkönig Troglodytes troglodytes brütet zwar nicht häufig aber doch regelmäßig in den Kästen. Die Schwankungsbreite der festgestellten Bruten bzw. Belegungen ist aber deutlich höher als bei Cinclus cinclus und schwankt um einen Mittelwert von 8,3 (Median: 8 Bruten) zwischen 2 und 15 festgestellten Nestern.

Mit hoher Konstanz und größerer Belegungsrate als der Zaunkönig nimmt die Gebirgsstelze Motacilla cinerea die künstlichen Brutmöglichkeiten an. Aufgrund des sehr extensiven ehrenamtlichen Monitorings wurde allerdings nicht konsequent zwischen einer Belegung durch Gebirgsstelze und Bachstelze unterschieden. Aufgrund vertiefender Beobachtungen in ausgesuchten Gewässerabschnitten ist davon auszugehen, dass es sich komplett oder zumindest ganz überwiegend um Bruten bzw. Nester der Gebirgsstelze handelt. Der Bestand der Gebirgsstelze wird in Hessen mit 1.500 bis 3.500 angegeben.

Im Untersuchungsgebiet schwankt der (Gebirgs-)Stelzenbestand, der in künstlichen Nisthilfen brütet, um einen Mittelwert von 36,8 (Median: 37). Der Nistkastenbestand der Art im MKK schwankt zwischen 22 Nestern im Minimum und 56 Kastenbelegungen im Maximum.

Bruten der Gebirgsstelze im Main-Kinzig-Kreis

Andere Nischen- oder Halbhöhlenbrüter konnten in der Regel nicht angetroffen werden. Bemerkenswert war im Jahr 2009 die erstmalige Brut eines Feldsperlings in einem Wasseramselkasten.

Der Steinaubach ist ein bevorzugter Lebensraum der Wasseramsel (Foto: Sibylle Winkel)

Der Steinaubach ist ein bevorzugter Lebensraum der Wasseramsel (Foto: Sibylle Winkel)

Tabelle 2 beschreibt die Siedlungsdichte der Wasseramsel an den einzelnen Fließgewässern im MKK in den Jahren 2008 und 2009. Dabei sind niedrige Werte (Reviergröße in km Gewässerstrecke) gleichbedeutend mit hohen Revierdichten und umgekehrt. Die Bandbreite der Reviergrößen erstreckt sich in den beiden Jahren von 1,67 km bis zu 5,8 km. Insbesondere die Daten aus 2008 zeigen, dass optimale Wasseramselhabitate mit relativ kleinen Brutpaarrevieren vor allem im Bereich der oberen Kinzig und deren Seitenbächen, im Steinaubach und Ürzeller Wasser, an der Salz sowie an Jossa und Sinn vorhanden sind. Bei eher suboptimaler Ausstattung werden die Reviere deutlich größer. Dies gilt besonders für die mittlere Kinzig, ebenso für Bracht und Gründau jeweils mit ihren Seitenbächen.

Das Wasseramsel-Monitoring im Main-Kinzig-Kreis zeigt, dass auch ein ehrenamtlich durchgeführtes Monitoring über lange Zeit aufrechterhalten und konstant gute Ergebnisse bringen kann. Es bleibt zu hoffen, dass die Aktivitäten des NABU-Arbeitskreises Wasseramsel im Main-Kinzig-Kreis noch viele Jahre, ja sogar Jahrzehnte bestehen bleiben. Vor dem Hintergrund neuer Herausforderungen an den Naturschutz wie beispielsweise dem Klimawandel können nur entsprechend lange Beobachtungsreihen verlässliche und qualifizierte Aussagen zur Populationsdynamik von Arten liefern.

Siedlungsdichte der Wasseramsel im Main-Kinzig-Kreis

Vielen Dank

Die dargestellten Monitoring-Ergebnisse sind das Ergebnis zahlreicher Stunden ehrenamtlicher Arbeit.

Folgenden ehrenamtlichen Kolleginnen und Kollegen des Arbeitskreises Wasseramsel gilt der besondere Dank des NABU Main-Kinzig:

Adolf Beck, Klaus Hohmann, Erwin Koch, Jürgen Koch, Karl-Richard Licht, Alfred Loos, Thomas Mathias, Thomas Moser, Peter Rieth, Martin Ruhl, Lothar Ruppel, Herbert Schneider, Hans Schüssler, Waldemar Stroh, Manfred Thiel, Raimer Thienhaus, Horst Wiederspahn.

Autoren:

Horst Basermann, Am Steines 2, 36396 Steinau an der Straße, E-Mail: horst.basermann@gmx.de

Sibylle Winkel & Dr. Matthias Kuprian, Pommernstraße 7, 63069 Offenbach, E-Mail: s.winkel@nabu-mkk.de

Betreuer

Leo Klübenspies
Voreller 4
63628 BSS-Mernes
Tel.: 06660 1247
Mail: kluebens@mnet-online.de